Wie hoch ist der Streitwert beim Zustimmungsersetzungsverfahrens zur Ein- und Umgruppierung?

Das Zustimmungsersetzungsverfahren gehört für Arbeitsrechtler zu den Routineaufgaben – und doch gibt es bei der Abrechnung immer wieder Unsicherheiten. Die gute Nachricht: Das LAG Köln gibt jetzt handfeste Anhaltspunkte für die Ermittlung des Streitwerts bei Zustimmungsersetzungsverfahren.

Die Entscheidung des LAG Köln, Beschluss vom 10.01.2018 – Aktenzeichen 2 Ta 275/17

Die Beteiligten stritten in der Hauptsache darum, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, in sechs Versetzungsfällen ein Zustimmungsersetzungsverfahren zur Eingruppierung der betroffenen Arbeitnehmer einzuleiten. Zuvor hatte der Betriebsrat geltend gemacht, durch die Versetzung habe sich auch die Eingruppierung verändert.

Das Verfahren endete durch Vergleich dahingehend, dass die Arbeitgeberin sich verpflichtete, für die sechs Personen, die in den Anträgen des Betriebsrats genannt waren, sowie für weitere drei Personen ein Zustimmungsersetzungsverfahren zur Eingruppierung vor dem Arbeitsgericht einzuleiten.

Zustimmungsersetzungsverfahren im Streitwertkatalog geregelt?

In dem angegriffenen Beschluss hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die angekündigten Anträge mit je 20 % des Hilfswertes aus § 23 Abs. 3 RVG festgesetzt.

Dies ergab für das Verfahren einen Gegenstandswert von 6.000 EUR und für den Vergleich wegen der mitverglichenen drei weiteren Sachverhalte von insgesamt 9.000 EUR.

Hiergegen wendet sich die Prozessbevollmächtigte des Betriebsrats und vertritt die Ansicht, für jeden einzelnen Sachverhalt sei der Hilfswert von 5.000 EUR anzusetzen, wobei ein Abschlag auf den Hilfswert nach B 13.7 des Streitwertkataloges nicht vorzunehmen sei, da es sich nicht um ein Massenverfahren handele und die einzelnen Eingruppierungstatbestände nicht im Wesentlichen gleich seien.

 

Insgesamt handele es sich um ein Verfahren analog § 101 BetrVG, so dass auch die hierzu gefundenen Regelungen des Streitwertkataloges Anwendung finden müssten.

Die Arbeitgeberin sieht das vorliegende Verfahren nicht im Streitwertkatalog geregelt und tritt der arbeitsgerichtlichen Bewertung bei.

LAG Köln: Beschwerde ist nicht begründet

Die zulässige und fristgerechte Beschwerde ist nicht begründet.

Ausgehend vom Streitwertkatalog sind Verfahren nach § 101 BetrVG als eigenständiges nichtvermögensrechtliches Verfahren zu bewerten und regelmäßig mit dem vollen oder dem halben Hilfswert nach § 23 Abs. 3 RVG zu bewerten.

B 13.6 des Streitwertkataloges lässt dabei ausdrücklich offen, ob Verfahren nach § 101 BetrVG mit dem vollen Gegenstandswert oder nur dem halben Gegenstandswert berücksichtigt werden.

Dann, wenn ein Antrag nach § 101 BetrVG in einem Verfahren nach § 99 oder § 100 BetrVG gestellt wird, ist der Wert zusätzlich noch einmal zu halbieren.

Das Bundesarbeitsgericht hat in den Fällen der unterlassenen Mitbestimmung bei der Eingruppierung einen Anspruch des Betriebsrates auf Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens analog aus § 101 BetrVG hergeleitet.

Dies legt einerseits nahe, bei der Gegenstandswertbemessung die Hinweise des Streitwertkataloges zu § 101 BetrVG heranzuziehen. Andererseits kann aber auch berücksichtigt werden, dass § 101 BetrVG eine besondere Ausgestaltung der Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten gegen den Arbeitgeber darstellt.

Er regelt, wie mitbestimmungswidrige Maßnahmen aufzuheben sind und die Aufhebung bzw. die Einhaltung der Mitbestimmungsverpflichtungen durch ein Zwangsgeld durchgesetzt werden können.

Geht man bei der Eingruppierung von einem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates aus, welches durch das Zustimmungsersetzungsverfahren gewahrt werden soll, so spricht einiges dafür, dass das BAG mit der Analogie zu § 101 BetrVG lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass für Ein- und Umgruppierungssachverhalte dem Betriebsrat ein in gleicher Weise wirkungsmächtiges Mittel in die Hand gegeben werden muss, um dieses Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates zu wahren.

Es handelt sich nicht um ein besonders ausgestaltetes Element der Zwangsvollstreckung sondern um einen Antrag eigener Art, um die Mitbestimmung bei der Ein- und Umgruppierung überhaupt in Gang zu bringen.

Das spricht wiederum dafür, die Bewertungsregelung des Streitwertkataloges für den Antrag auf Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zur Umgruppierung oder Eingruppierung nicht anzuwenden.

Beschränkter Prüfungsumfang lässt ohnehin nur halben Regelwert zu

Eine Entscheidung, ob eine Gegenstandswertfestsetzung nach B 13.6 des Streitwertkataloges oder außerhalb des Streitwertkataloges zu erfolgen hat, kann vorliegend jedoch dahinstehen.

Denn nach Ansicht der Beschwerdekammer kann im vorliegenden Fall allenfalls die Hälfte des Regelwertes für den ersten Einleitungsantrag sowie 25 % hierfür für die Folgeanträge und die mit verglichenen Sachverhalte berücksichtigt werden.

Der halbe Regelwert kommt deshalb zur Anwendung, weil das vorliegende Erzwingungsverfahren lediglich einen von vornherein beschränkten Prüfungsumfang erfordert.

Maßgeblich ist lediglich, ob ein Tätigkeitswechsel stattgefunden hat sowie, ob der Betriebsrat der Beibehaltung der bisherigen Eingruppierung rechtzeitig und mit Gründen widersprochen hat.

Materielle Richtigkeit erst im nachfolgenden Verfahren zu prüfen

Die materielle Richtigkeit der Eingruppierung, die von Fall zu Fall unterschiedlich beurteilt werden kann, ist erst im nachfolgenden Zustimmungsersetzungsverfahren zu prüfen.

Ausgehend hiervon ergibt sich für den ersten Fall der Erzwingung des Zustimmungsersetzungsverfahrens ein Gegenstandswert von 2.500 EUR.

Bei allen weiteren Fällen ist die Abschlagsregelung B 13.7 des Streitwertkataloges anzuwenden, da der Streitgegenstand sich auf die Frage beschränkt, ob nach einer Versetzung eine Neueingruppierung bzw. eine Eingruppierungsüberprüfung durchzuführen ist.

Damit ergibt sich für die weiteren im Verfahren streitgegenständlichen Fälle ein zusätzlicher Wert von je 625 EUR (25% von 2.500), ebenso für die drei mitverglichenen Sachverhalte.

Richtigerweise wäre damit der Gegenstandswert für das Verfahren auf 5.625 und für den Vergleich auf insgesamt 7.500 EUR festzusetzen. Da im Festsetzungsverfahren nach dem RVG jedoch ein Verschlechterungsverbot gilt, bleibt es bei dem festgesetzten Streitwert.

Gegenstandswert nach billigem Ermessen

Auch bei „freier“ Festsetzung des Gegenstandswertes kann nach den allgemeinen Kriterien kein höherer Gegenstandswert festgestellt werden. Hiernach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen.

In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung sowie bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR anzunehmen.

Es ist deshalb an den Hilfswert von 5.000 EUR anzuknüpfen und zu prüfen, ob die im konkreten Fall gegebenen wertbestimmenden Faktoren zu einer Erhöhung oder Reduzierung dieses Wertes führen.

Dabei sind insbesondere der maßgeblich durch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache bestimmte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber zu berücksichtigen und die sonstigen im Einzelfall wertbildenden Umstände ins Auge zu fassen.

Dies spricht ebenfalls für die Halbierung des Hilfswertes für den ersten Fall des vorliegenden Erzwingungsverfahrens. Die „Rabattregelung“ findet dann in gleicher Weise Anwendung.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Zusammenfassung: LAG Köln, Beschluss vom 10.01.2018 – Aktenzeichen 2 Ta 275/17

Tenor: Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 gegen den Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 19.10.2017 – Az. 3 BV 53/17 – wird zurückgewiesen

Im Verfahren auf Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zur Ein- und Umgruppierung kann der Streitwertkatalog (B 13.6) dahingehend angewandt werden, dass für den ersten Fall 50% des Hilfswertes angenommen werden. Für weitere überwiegend identische Streitfälle im gleichen Verfahren kann auf die Staffel aus B 13.7 des Streitwertkatalogs zurückgegriffen werden. Streitgegenstand ist nicht die Frage, ob die Eingruppierung richtig ist, sondern ob Tatbestände gegeben sind, aus denen der Arbeitgeber zur Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet ist.

Vorinstanz: ArbG Köln, vom 19.10.2017 – Vorinstanzaktenzeichen 3 BV 53/17

DRsp Nr. 2018/2030

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