Zwangsvollstreckungssachen: Welche Tätigkeiten sind im RVG erfasst?

Die Gebühren, welche der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung von Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes verdient, sind in Unterabschnitt 3 von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Nr. 3309, 3310 VV RVG) geregelt.[1]) Welche Tätigkeiten im RVG im Detail erfasst sind und welche nicht, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Erfasste Tätigkeiten und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung

Hierzu gehören insbesondere

  • die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§ 803 ff. ZPO),
  • das Verteilungsverfahren (§ 858 Abs. 5, 872–877, 882 ZPO),
  • die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen (§ 883 ff. ZPO),
  • die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek (§ 867, 870a ZPO),
  • das Vollstreckungsschutzverfahren ( 765a ZPO),
  • das Erwirken eines vorläufigen Zahlungsverbots,[2])
  • das Einholen einer Auskunft beim Schuldnerverzeichnis,[3])
  • das Verfahren zur Abgabe einer Vermögensauskunft und Verhängung von Erzwingungshaft nach § 802c ff. ZPO,
  • das Verfahren auf Aussetzung der Abschiebung (Duldung),[4])
  • die anwaltliche Zustellung einer einstweiligen Verfügung,[5])
  • Vollstreckung nach dem FamFG,
  • das gerichtliche Verfahren über einen Akt der Zwangsvollstreckung (des Verwaltungszwangs, siehe Vorbem. 3.3.3 Nr. 3 VV RVG),
  • die übrige im Achten Buch der ZPO geregelte Einzelzwangsvollstreckung, soweit sie nicht vom Anwendungsbereich der Nr. 3309 und 3310 VV RVG ausgenommen ist.

Auch die Anforderung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses zur Prüfung der Aussichten für weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen lässt eine – gesonderte – Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG entstehen.[6])

 

Hinweis: Nach § 755 ZPO ist der Gerichtsvollzieher befugt, aufgrund eines Vollstreckungsauftrags den Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln.

Erteilt der Rechtsanwalt auf der Grundlage dieser Vorschrift dem Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungs- und Ermittlungsauftrag, verdient er damit eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG.[7])

Nicht erfasste Tätigkeiten der Zwangsvollstreckung

Die Nr. 3309 und 3310 VV RVG finden z.B. keine Anwendung

  • in Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren, die in Unterabschnitt 4 von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Nr. 3311, 3312 VV RVG) geregelt sind (siehe dazu Teil 10/8),
  • im Insolvenzverfahren und im Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverordnung, für welches Unterabschnitt 5 von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Nr. 3313–3323 VV RVG) gilt (zur Tätigkeit im Insolvenzverfahren siehe Teil 10/1 bis 10/6),
  • im Verfahren über die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung, in dem der Rechtsanwalt nach Nr. 3328 und 3332 VV RVG abrechnet,
  • im Verteilungsverfahren außerhalb der Zwangsversteigerung und -verwaltung (hier greift Nr. 3333 VV RVG),
  • im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung der durch Rechtsmittelanträge nicht angefochtenen Teile eines Urteils (§ 537, 558 ZPO; hier greift Nr. 3329 VV RVG),
  • im Verfahren über einen Antrag auf Abänderung eines Vollstreckungstitels nach 655 Abs. 1 ZPO (hier greift Nr. 3331 VV RVG),
  • im Verfahren vor dem Prozessgericht oder dem Amtsgericht auf Bewilligung, Verlängerung oder Verkürzung einer Räumungsfrist (§ 721, 794a ZPO), wenn das Verfahren mit dem Verfahren über die Hauptsache nicht verbunden ist (hier greift Nr. 3334 VV RVG),
  • für die Mitwirkung bei der Veräußerung sicherungsübereigneter Gegenstände (hier greifen die Nr. 2300 ff. VV RVG).

Beispiel: Der Rechtsanwalt führt auftragsgemäß außergerichtlich Verhandlungen über den Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen. In diesem Fall verdient er keine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG, sondern eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG.[8])

Anwendungsbereich von Unterabschnitt 3

Unterabschnitt 3 („Vollstreckung und Vollziehung“) von Teil 3 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses findet unabhängig davon Anwendung, ob der Rechtsanwalt den Gläubiger oder den Schuldner vertritt. Durch die Tätigkeit für einen Dritten wird die Gebühr nicht verdient.[9])

Beispiel: Der Anwalt erhebt für einen Dritten eine Drittschuldnerklage nach § 771 ZPO. Mit dieser Maßnahme handelt er nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung und verdient auch nicht die Gebühren nach den Nr. 3309, 3310 VV RVG, sondern nach Nr. 3100 ff. VV RVG.[10])

Dies gilt z.B. auch für den Fall, dass der Anwalt eine Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abgibt.[11])

Gleichgültig ist auch, ob der Rechtsanwalt mit einer einzelnen Vollstreckungsangelegenheit oder aber mit der gesamten Zwangsvollstreckung beauftragt wird.[12]) Selbst wenn dieser bereits im Erkenntnisverfahren mandatiert worden ist, kann er die Gebühren des Unterabschnitts 3 verdienen, wobei es unerheblich ist, ob er den vollstreckbaren Titel erwirkt hat, aus welchem die Zwangsvollstreckung betrieben wird.[13]) Dies gilt nur dann nicht, wenn bestimmte Tätigkeiten noch zum Rechtszug gehören (§ 19 RVG).

Änderung der Nr. 3310 VV RVG durch das 2. KostRMoG

Am 01.08.2013 ist das 2. KostRMoG in Kraft getreten. Im Zuge dieser Gesetzesreform wurde die Anm. zu Nr. 3310 VV RVG neu gefasst. Diese lautet nunmehr:

„Die Gebühr entsteht für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin, einem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft oder zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung.“

Die Änderung war notwendig geworden durch das am 01.01.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009,[14]) mit welchem der Termin zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung wegen des Vermögensverzeichnisses durch einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft ersetzt wurde. An diese Änderung sollte die Anm. zu Nr. 3310 VV RVG angepasst werden.

[1])    Ein ausführliches „Vollstreckungs-ABC der Zwangsvollstreckung“ findet sich bei AnwK-RVG/Wolf/Volpert, RVG, 7. Aufl. 2014, Nr. 3309–3310 VV RVG Rdnr. 1.

[2])    LG Mönchengladbach, RVGreport 2005, 466.

[3])    N. Schneider, AGS Kompakt 2010, 112.

[4])    VGH Baden-Württemberg, AGS 2009, 391.

[5])    OLG Celle, AGS 2008, 283 f. m. Anm. N. Schneider.

[6])    AG Neubrandenburg, AGS 2012, 527.

[7])    Volpert, RVGreport 2012, 443.

[8])    OLG Celle, RVGreport 2008, 422 f.

[9])    Bräuer, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl. 2016, Nr. 3309 VV RVG Rdnr. 4.

[10])  Str.; so wie hier Bräuer, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl. 2016, Nr. 3309 VV RVG Rdnr. 4 m. Nachw. zum Streitstand.

[11])  Bräuer, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl. 2016, Nr. 3309 VV RVG Rdnr. 4.

[12])  AnwK-RVG/Wolf/Volpert, 7. Aufl. 2014, Nr. 3309–3310 VV RVG Rdnr. 6.

[13])  Bräuer, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl. 2016, Nr. 3309 VV RVG Rdnr. 2.

[14])  BGBl I, 2258.

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