Sind Sie auch schon als Verfahrenspfleger bestellt worden? Dann haben Sie zwar einerseits eine wichtige öffentliche Aufgabe übernommen, andererseits leider nur wenig Geld verdient. Es sei denn, Sie haben nach RVG abgerechnet und Ihre Abrechnung ist akzeptiert worden. In welchen Fällen das möglich ist, darauf hat der BGH nun eine ausgiebige Antwort geliefert.
Aktuelle BGH-Entscheidung zur Vergütung des Verfahrenspflegers
Die geschlossene Unterbringung einer Frau, die mit Bettgurten an Händen und Beinen sowie durch einen Bauchgurt fixiert wird, ist der Ausgangspunkt des folgenden Verfahrens:
Der Amtsrichter ordnet die Unterbringung an und bestellt einen Verfahrenspfleger für die Betroffene. Und wie in fast 70 % aller Fälle ist es auch in diesem Verfahren ein Anwalt, der die Rolle des Verfahrenspflegers übernimmt.
Für die Betroffene bedeutet das Verfahren ein einschneidendes Erlebnis, in der juristischen Praxis ist die Unterbringung mehr oder weniger Alltag. Alles geht seinen gewohnten Gang. Der Amtsrichter stellt noch fest, dass „die Verfahrenspflegschaft … in diesem Fall berufsmäßig ausgeübt“ wird. Dann ist die Unterbringungssache scheinbar beendet.
Anwaltlicher Verfahrenspfleger rechnet nach RVG ab
Doch anschließend beantragt der anwaltliche Verfahrenspfleger die Festsetzung einer Vergütung nach dem RVG in Höhe von 456,96 Euro. Das Amtsgericht weist den Antrag zurück. Der Anwalt schöpft den Instanzenweg bis zum BGH aus.
Damit hat der BGH Gelegenheit bekommen, sich erneut zur Vergütung von anwaltlichen Verfahrenspflegern zu äußern. Die Karlsruher Richter haben die Voraussetzungen festgezurrt, unter denen ein Anwalt für die Verfahrenspflege nach RVG abrechnen kann.
RVG in einer Unterbringungssache: Die Voraussetzungen
Ergebnis: Ein anwaltlicher Verfahrenspfleger kann in einer Unterbringungssache nur dann nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abrechnen,
- wenn die Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt wurde oder
- in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. November 2010 – XII ZB 244/10).
1. Ausdrückliche Bestellung eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger
Sofern das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers feststellt, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, dann ist diese Feststellung für das Vergütungsverfahren schon aus Vertrauensschutzgründen bindend (BGH, Beschlüsse vom 12.09.2012 – XII ZB 543/11 – und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10).
Die Aussage des Amtsrichters im vorliegenden Fall, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig ausgeübt wird, reicht allerdings nicht aus, um die Erforderlichkeit einer anwaltsspezifischen Tätigkeit zu begründen.
Diese Aussage schafft lediglich die Voraussetzung dafür, dass der Verfahrenspfleger – abweichend von dem Grundsatz der unentgeltlichen Führung von Pflegschaften (§ 1836 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) – überhaupt eine Vergütung für seine Tätigkeit nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) verlangen kann.
Um nach RVG abrechnen zu können, muss das Gericht zusätzlich ausdrücklich auf die berufliche Qualifikation des Verfahrenspflegers „als Rechtsanwalt“ Bezug nehmen (wie in der Entscheidung des BGH vom 15.05.2013 – XII ZB 283/12).
2. Einzelfallprüfung anhand der konkreten Umstände
Hat das Gericht bei der Bestellung des Verfahrenspflegers nicht explizit auf die anwaltsspezifische Tätigkeit hingewiesen, dann ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob der anwaltliche Verfahrenspfleger im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BGH, Beschlüsse vom 27.06.2012 – XII ZB 685/11 – und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10).
Dazu reicht aber allein die Führung einer Verfahrenspflegschaft in Unterbringungssachen nicht aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10).
Im vorliegenden Fall bestätigte der BGH die Einschätzung der vorherigen Instanzen, dass keine anwaltsspezifischen Tätigkeiten erforderlich waren. Die Tätigkeit des Verfahrenspflegers hat sich beschränkt
- auf ein Gespräch mit der Betroffenen
- sowie auf eine kurze schriftliche Stellungnahme, dass keine Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss eingelegt werde.
Der BGH hat auch nicht das Argument gelten lassen, dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger in Unterbringungssachen grundsätzlich als anwaltsspezifische Tätigkeit zu beurteilen sei, weil dem Betroffenen gegen den Entzug seines Grundrechts auf Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ) anwaltlicher Schutz gewährt werden müsse.
Dagegen spricht schon der Umstand, dass die Normen, welche die Bestellung zum Verfahrenspfleger und die entsprechende Vergütung regeln, nicht zwischen den Verfahrensarten differenzieren.
Folge: Der Rechtsanwalt kann im vorliegenden Fall für seine Tätigkeit als „berufsmäßiger“Verfahrenspfleger nur die Vergütung nach den Vorschriften des VBVG verlangen.
Quelle: BGH, Beschluss vom 23.07.2014 Aktenzeichen XII ZB 111/14