Unbilligkeit einer anwaltlichen Erstberatungsgebühr bei geringem Streitwert

Haben Sie als Rechtsanwalt mit Ihrem Auftraggeber keine Gebührenvereinbarung für eine Beratung geschlossen, orientiert sich die Höhe Ihrer Vergütung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 34 Abs. 1 S. 2 RVG). Das wird allerdings schnell problematisch, wenn es um einen geringen Streitwert geht.

AG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2014 – 1 C 4057/12 (in Berufung)

Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass es insbesondere bei geringen Streitwerten (hier: 331 €) nicht billig ist, schlicht von einem Zeithonorar von 150 Euro pro Stunde als „übliche Vergütung“ auszugehen.

Ein typischer Problemfall in der Praxis: Der Abschluss von Gebührenvereinbarungen wird bei vielen Rechtsanwälten – auch mehrere Jahre nach Einführung des § 34 RVG – vor der Beratung nicht aktiv angesprochen. Viele Kollegen scheuen sich davor, über Vergütung zu reden.

Die Entscheidung des AG Stuttgart zeigt einen wichtigen Aspekt des Problems: Wird keine Gebührenvereinbarung geschlossen, stellt sich die Frage, ob die Höchstbeträge von 190 € bzw. 250 € zzgl. Nebenkosten abgerechnet werden dürfen – insbesondere, wenn der Gegenstand der Erst- oder Mehrfachberatung ein kleiner strittiger Betrag ist.

 

Im vorliegenden Fall argumentierten die Richter wie folgt: Hätte sich der RA einen Auftrag für eine außergerichtliche Vertretung i.S.d. Vorbem. 2.3. Abs. 3 VV RVG erteilen lassen, dann wäre eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 83,54 € brutto angefallen.

Bei dieser erheblichen Differenz zu den Höchstgebühren nach § 34 RVG liegt es nahe, dass der Rechtsanwalt den Mandanten darüber aufklären muss, dass die Erteilung eines Auftrags für eine außergerichtliche Vertretung wesentlich geringere Gebühren bedeuten kann als ein Auftrag zur Beratung. Und das, obwohl der Auftrag für eine außergerichtliche Vertretung umfassender ist.
 
Ein weiteres Argument: Die Einführung der Erstberatungsgebühr sollte Mandanten den Schritt zum Anwalt erleichtern. Dieses gesetzgeberische Ziel wird bei niedrigen Streitwerten aber konterkariert, wenn sich die Erstberatungsgebühr allein anhand eines Zeithonorars bestimmt.
 

Praxistipp: Punkten Sie mit Transparenz – machen Sie Ihr Honorar von vorneherein zu einem Thema Ihrer Beratung. Damit vermeiden Sie nicht nur Streit bei der Abrechnung, sondern Sie fördern auch die Mandantenzufriedenheit. Wenn Sie dem Honorar Ihre einzelnen Leistungen als Rechtsanwalt entgegenstellen, werden Ihre Mandanten die Höhe leichter akzeptieren und erleben vor allem keine böse Überraschung bei der Abrechnung.

 

AG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2014 – 1 C 4057/12 (nicht rk; in Berufung)

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