Anwaltsgebühren bei getrennter Einleitung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren für dasselbe Kind

Die getrennte Einleitung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren für dasselbe Kind verstößt jedenfalls dann nicht gegen das Gebot kostensparender Verfahrensführung, wenn ein sachlicher Grund für die getrennte Einleitung der Verfahren vorliegt.

Gemeinsames Verfahren oder getrenntes Verfahren?

Aus der nicht ehelichen Beziehung seiner Eltern ist ein 2010 geborenes Kind hervorgegangen, für das das Sorgerecht der Mutter allein zusteht.

Im vorliegenden Verfahren hat der Vater, vertreten durch seine Verfahrensbevollmächtigte, den Antrag auf Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge für das Kind gestellt.

 

Gleichzeitig hat er mit gesonderter Antragsschrift eine Regelung seines Umgangs mit dem Kind beantragt. Sowohl für das Sorgerechts- als auch für das Umgangsverfahren hat ihm das Familiengericht Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

Im Termin haben die Eltern das Umgangsverfahren durch eine Vereinbarung beendet und sich zugleich darauf geeinigt, dass hinsichtlich des Sorgerechts zunächst die weitere Entwicklung abgewartet werden solle.

Im Umgangsverfahren hat die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters antragsgemäß die von ihr nach einem Verfahrenswert von 3.000 € geltend gemachte Vergütung in Höhe von 860,97 € aus der Staatskasse erhalten.

Im Sorgerechtsverfahren hat sie beantragt, ihre Gebühren – ebenfalls nach einem Verfahrenswert von 3.000 € – auf 621,78 € (1,3 Verfahrensgebühr + 1,2 Terminsgebühr + Postpauschale + Umsatzsteuer) festzusetzen.

Der Urkundsbeamte hat lediglich 220,15 € festgesetzt, wobei er von einem zusammengefassten Verfahrenswert des Sorgerechts- und des Umgangsverfahrens von 6.000 € ausgegangen ist und die im Umgangsverfahren bereits angewiesenen 860,97 € abgezogen hat. Der Erinnerung des Vaters hat er nicht abgeholfen.

Daraufhin hat das Familiengericht nach der Anhörung eines weiteren Beteiligten die der Verfahrensbevollmächtigten aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen – wie beantragt – auf 621,78 € festgesetzt. Dagegen wendet sich der weitere Beteiligte mit seiner Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.

Seiner Ansicht nach ist die von dem Urkundsbeamten festgesetzte Vergütung zutreffend. Anträge auf Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs seien für die gemeinsame Behandlung in einem und demselben Verfahren geradezu prädestiniert und Verfahrensbevollmächtigte zu einer kostensparenden Verfahrensführung verpflichtet. Dagegen werde bei getrennten Verfahren verstoßen.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz kostensparender Verfahrensführung könne auch dann noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden, wenn Verfahrenskostenhilfe für getrennte Verfahren bewilligt worden sei. Mehrkosten, die dadurch entstünden, dass der Grundsatz der ökonomischen Verfahrensführung nicht eingehalten werde, seien nicht notwendig und somit nicht erstattungsfähig.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Getrennte Anhängigmachung des Sorgerechts- und des Umgangsantrags

Die nach den §§ 56, 33 Abs. 3 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung die an die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen zu Recht auf 621,78 € festgesetzt und dabei einen Gegenstandswert von 3.000 € zugrunde gelegt.

Mit zutreffender Begründung hat es einen Verstoß der Verfahrensbevollmächtigten gegen den Grundsatz der kostensparenden Verfahrensführung wegen der getrennten Anhängigmachung des Sorgerechts- und des Umgangsantrags verneint.

Nach § 20 FamFG kann das Gericht zwar Verfahren verbinden, soweit es dies für sachdienlich hält. Unter Umständen kann auch ein Antrag auf Regelung der elterlichen Sorge mit einem auf Regelung des Umgangsrechts zur gemeinsamen Erörterung und Entscheidung verbunden werden. Eine Pflicht des Gerichts hierzu besteht aber nicht. Vielmehr liegt die Entscheidung darüber ausschließlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen.

Werden eigenständige Kindschaftssachen nicht förmlich verbunden, bleibt es kostenrechtlich selbst dann bei getrennt zu behandelnden Angelegenheiten, deren Verfahrenswerte nicht zusammengerechnet werden, wenn die verschiedenen Anträge in einem gemeinsamen Termin erörtert werden.

Auch vor diesem Hintergrund teilt das OLG die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht.

Zwar ist es einem Rechtsanwalt nicht erlaubt, anstehende Verfahren eines Auftraggebers einseitig und ohne hinreichenden Sachgrund zu vereinzeln. Jedoch können durchaus sachliche Gründe für die getrennte Einleitung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren sprechen.

Unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Verfahrensbevollmächtigter ggf. durch die getrennte Einleitung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren für dasselbe Kind gegen den Grundsatz kostensparender Verfahrensführung verstößt, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.

Hohe Eilbedürftigkeit als sachlicher Grund für getrennte Verfahren

Denn im vorliegenden Fall hat das Familiengericht zu Recht schon aufgrund der hier vorliegenden höheren Eilbedürftigkeit der Umgangsregelung gegenüber der Sorgerechtsregelung das Vorliegen sachlicher Gründe für die getrennte Einleitung der Verfahren bejaht.

Unabhängig davon kann die Beschwerde auch deswegen keinen Erfolg haben, weil der Urkundsbeamte und das im Festsetzungsverfahren entscheidende Gericht an die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung eines Anwalts selbst dann gebunden sind, wenn diese unrichtig waren.

Folglich darf der Urkundsbeamte Gebühren nicht mit der Begründung kürzen, dass ein Verfahren zur Verfügung gestanden hätte, bei dem geringere Kosten angefallen wären.

Die Gegenansicht, der Verstoß gegen den Grundsatz kostensparender Verfahrensführung könne auch dann noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden, wenn Verfahrenskostenhilfe für getrennte Verfahren bewilligt worden ist, ist abzulehnen.

Denn sie verkennt, dass Sachverhalte, die das Gericht bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe geprüft hat oder hätte prüfen müssen, als bindend anzusehen sind. Dazu gehört auch die Frage, ob etwa die Antragstellung mutwillig ist, weil der Antragsteller von mehreren gleichwertigen prozessualen Wegen einen erkennbar kostenintensiveren beschreitet.

Gründe für getrennte Verfahrenseinleitung sind zu erläutern

Werden der Sorgerechts- und der Umgangsantrag für dasselbe Kind aus nachvollziehbaren Gründen unabhängig voneinander anhängig gemacht, verstößt dies nicht gegen den Grundsatz kostensparender Verfahrensführung.

Die Gründe für die getrennte Verfahrenseinleitung sind zu erläutern. Sodann prüft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen eine förmliche Verbindung der beiden Verfahren. Kommt es zu dem Ergebnis, sie nicht zu verbinden, ist es hierzu auch nicht verpflichtet.

Bestätigt das Gericht aufgrund der fortgeschrittenen Zeit die hohe Eilbedürftigkeit der Umgangsregelung und gewährt dieser durch die Trennung somit Vorrang, sind die sich daraus ergebenden Verfahrenswerte eigenständig anzurechnen, auch wenn über den Umgangs- und den Sorgerechtsantrag letztlich gleichzeitig verhandelt wird.

Eine Möglichkeit, die diesen Kosten zugrunde liegenden Entscheidungen – hier: Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten – zu kontrollieren, besteht nicht.

 

Praxishinweis:

Soweit möglich, sollten zusammenhängende Anträge auch aus Gründen der Verfahrensökonomie gemeinsam anhängig gemacht werden. Häufig lassen sich die Anträge zum Sorge- und zum Umgangsrecht jedoch nicht verbinden, da die Verfahren zeitlich unterschiedlich ablaufen. Für eine abschließende Sorgerechtsentscheidung sind viele Informationen zusammenzutragen, die der Dringlichkeit einer Umgangsregelung zuwiderlaufen.

Besteht also ein dringender Grund, den Umgang des Antragstellers mit dem Kind möglichst schnell zu regeln, ist eine Trennung der beiden Anträge möglich. Wie diese Entscheidung deutlich macht, werden die dem Anwalt zu erstattenden Verfahrenskosten dadurch nicht geringer. Ist im Einzelfall aus zwingenden, nachweisbaren Gründen eine Trennung der Verfahren erforderlich, muss der Anwalt sie also durchsetzen und braucht keine Kostenfalle zu befürchten.

 

Ass. jur. Nicole Seier, Gelsenkirchen

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