Immer wieder kommt es vor, dass eine Berufung irrtümlich doppelt eingelegt wird und die Berufung anschließend nur einmal zurückgenommen wird. Dies kann nicht nur zu verfahrensrechtlichen, sondern auch zu gebührenrechtlichen Komplikationen führen. Im folgenden Fall erhielt ein Anwalt bereits vor Eingang der Berufungsbegründung die 1,6fache statt der üblichen 1,1fachen Verfahrensgebühr!
Verfahrensrechtliches Problem sorgt für Aufwand beim Anwalt
Bereits vor Eingang der Berufungsbegründung bemisst sich der Umfang des mit der Verteidigung gegen die Berufung verbundenen Aufwandes nach Nr. 3200 RVG VV, wenn die Berufung doppelt eingelegt, aber nur einmal zurückgenommen worden ist und der Berufungsbeklagte sich somit mit einem verfahrensrechtlichen Problem konfrontiert sieht.
Im vorliegenden Fall war eine gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 RpflG statthafte, fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde in der Sache unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die gegen sie festgesetzte anwaltliche Gebühr in Höhe einer 1,6fachen Verfahrensgebühr Teil der notwendigen Kosten des Verfahrens im Sinne des § 91 ZPO.
Außer Streit und außer Frage steht im Ansatz, dass die Beauftragung eines Anwalts zur Verteidigung gegen die von Beklagtenseite eingelegte Berufung grundsätzlich notwendig war.
Der Umfang des mit der Verteidigung gegen die Berufung verbundenen Aufwandes war nach Nr. 3200 VV RVG zu bemessen, ohne dass eine Ermäßigung gemäß Nr. 3201 VV RVG durchgriff.
Nach Nr. 3201 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr der Nr. 3200 VV RVG auf 1,1 dann, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt u.a. einen Schriftsatz eingereicht hat, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält.
Im Grundsatz zwar zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass so lange, wie eine Berufungsbegründung nicht eingereicht ist, eine sachliche Notwendigkeit dafür, bereits einen Antrag zur Sache einzureichen oder gar im Einzelnen zu begründen, regelmäßig nicht anzunehmen ist.
Sachvortrag war notwendig
Eine solche fehlerhafte Gestaltung lag hier aber nicht vor: Es war nämlich mit der zweimaligen Einlegung einer Berufung und der hierauf folgenden nur einmaligen Rücknahmeerklärung ein verfahrensrechtliches Problem aufgetaucht, welches unabhängig von der materiellen Rechtslage zu einem Erfolg der Rechtsverteidigung des Klägers im Berufungsverfahren folgen konnte, und hierzu hielt der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.10.2013 Sachvortrag.
Allein schon daraus, dass der Senat der vom Kläger aufgenommenen Rechtsauffassung letztendlich eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers zu Grunde legte, ergibt sich die Notwendigkeit des Sachvortrages im Sinne des § 91 ZPO in negativer Verbindung mit Nr. 3201 VV RVG .
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da ihre gesetzlichen Voraussetzungen (§ 574 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.
OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 09.01.2015 (12 W 78/14), DRsp Nr. 2015/2058