Zum Abschluss unserer Serie rund um das Thema „Anwaltsvergütung geltend machen” haben wir heute noch einmal einen Artikel, der Sie als Rechtsanwalt brennend interessieren wird. Es geht nämlich darum, wie Sie von der Rechtsschutzversicherung Ihr wohl verdientes Geld erhalten – eine oft leidige Angelegenheit, bei dem Anwälte wegen strenger Hinweispflichten und zahlungsunwilliger Versicherer oft in ein Minenfeld geraten.
Inhalt der Rechtsschutzversicherung, Kostenschuldner
Zweck und Inhalt einer Rechtsschutzversicherung ist, dem Rechtsuchenden bei Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstehende Kosten zu ersetzen.
Ähnlich wie bei einer privaten Krankenversicherung wird die Versicherung also nicht Kostenschuldner gegenüber dem Anwalt des Versicherten, gegenüber der Staatskasse oder gegenüber dem erstattungsberechtigten Gegner, sondern allein Kostenersatz- oder -freistellungsschuldner ihres Versicherten.
Das bedeutet zunächst, dass Kostenschuldner des Anwalts nur der Versicherte bleibt, auch wenn sich dessen Anwalt bereit findet, für und namens des Mandanten eine Deckungszusage der Versicherung zu beschaffen, mit ihr über den Fortgang der Angelegenheit zu korrespondieren und ihr gegenüber seine Vergütung abzurechnen, oder wenn er sich – sicherungshalber – den Ersatzanspruch des Mandanten abtreten lässt.
Es gilt selbst dann, wenn nicht der Rechtsuchende selbst, sondern namens und für ihren Versicherten die Versicherung unmittelbar das Mandat erteilt.
Die Rechtsschutzversicherung eines Anwalts erfasst auch dessen Vergütung für eine Selbstvertretung.[1]
Hinweispflichten des Rechtsanwalts
Kommt es bezüglich der Deckung, der Verfahrensführung und/oder der Vergütung zu Misshelligkeiten, dann darf der Anwalt weitere Tätigkeit in dieser Richtung ablehnen und dem Mandanten seine Vergütung berechnen und erforderlichenfalls gegen ihn festsetzen lassen und die Auseinandersetzung mit der Versicherung dem Mandanten überlassen.
Auf diesen Umstand muss der Anwalt den das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung behauptenden oder auf Fortführung seines Mandats beharrenden Rechtsuchenden hinweisen.
Hinweisen muss er ihn auch darauf, dass jegliche Tätigkeit gegenüber der Rechtsschutzversicherung und auch schon die Beratung über die Rechtsbeziehungen zur Versicherung besondere Angelegenheiten neben der Hauptsache und daher gesondert zu vergüten sind, also regelmäßig mit einer auszuhandelnden Beratungsgebühr oder einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zuzüglich gesonderter Auslagen und MWSt.
Beratungsvergütung
Erteilt also der rechtsschutzversicherte Mandant dem Anwalt den Auftrag, zunächst nur zu prüfen, ob ihm für eine bestimmte Rechtssache Rechtsschutz zu gewähren ist, dann ist dies gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit, die gesondert mit einer auszuhandelnden Beratungsgebühr zu vergüten ist.[2]
Der Mandant ist deshalb darüber zu belehren, dass ihm die Versicherung diese Beratungsvergütung nicht ersetzt und dass womöglich die Beratungsvergütung nicht auf eine danach für die Vertretung in der Rechtssache entstehende Geschäfts- oder Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
Die in den Versicherungsbedingungen enthaltenen Regelungen, dass eine Beratungsvergütung nur bis zu einem Höchstbetrag oder nur dann ersetzt wird, wenn in einer Ehe- oder Erbsache die entsprechende Anwaltstätigkeit mit keiner anderen zusammenhängt, gilt für die Beratung in der Hauptsache, nicht aber für die über das Bestehen eines Deckungsschutzes.
Angesichts mannigfacher Risikoausschlüsse und sonstiger Behinderungen in den Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen und den Bedingungen spezieller Versicherungszweige ist schon letztgenannte Tätigkeit risikobelastet und womöglich schwierig, was bei der Aushandlung der Vergütung berücksichtigt werden und den Anwalt zu der Vereinbarung veranlassen sollte, dass er für seine Auskunft nicht gewährpflichtig ist.
Einholen der Deckungszusage
Erteilt dieser Mandant stattdessen oder danach den Auftrag, bei der Versicherung Deckungsschutz zu beantragen oder zu besorgen, ist auch dies eine besondere Angelegenheit, die mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu vergüten ist, auf die dann allerdings eine etwa zuvor für die Prüfung des Rechtsschutzes entstandene Beratungsgebühr anzurechnen ist (§ 34 Abs. 2 RVG) und die von der Versicherung nicht ersetzt wird, worauf auch hier der Mandant hinzuweisen ist.[3]
Unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens sind Anwaltskosten für die Einholung einer Deckungszusage nur dann erstattungsfähig, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Einholung der Deckungszusage erforderlich war.[4]
Führt der Mandant nach Abschluss der Hauptsache im Auftrag des Mandanten mit der Versicherung eine Auseinandersetzung zu Grund und/oder Höhe des Ersatzes der Anwaltsvergütung, dann ist auch dies, jedenfalls bei umfangreicherer Tätigkeit, gesondert zu vergüten.
Eine weitere Hinweispflicht kann sich ergeben, wenn der Mandant ersichtlich meint, ihn gehe der Vergütungsanspruch des Anwalts nichts an, dafür sei allein seine Versicherung zuständig. Dann muss der Mandant wissen, dass er Schuldner jeglicher von der Versicherung ganz – wegen Versagung oder Entzugs des Deckungsschutzes – oder teilweise – wegen Einwendungen gegen die Höhe der anwaltlichen Kostenrechnung – nicht ersetzter Anwaltsvergütung bleibt.
Vergütungsvereinbarung
Will der Anwalt mit dem Mandanten eine die gesetzliche Vergütung übersteigende Vergütungsvereinbarung treffen, muss er den Mandanten darauf hinweisen, dass dessen Rechtsschutzversicherung nur die gesetzliche Vergütung ersetzt, nicht aber den überschießenden Teil des Honorars, der dann vom Mandanten zu zahlen ist.
Unterlassene Belehrungen
Die Unterlassung einer der vorbeschriebenen Belehrungen, auch des nach § 12a Abs. 1 Satz 2 ArbGG gebotenen Hinweises auf den Erstattungsausschluss, kann einen Vergütungsersatz durch die Rechtsschutzversicherung und sogar den Vergütungsanspruch des Anwalts selbst gefährden mit dem Argument, bei entsprechendem Hinweis hätte der Mandant das Mandat nicht erteilt und die berechneten Kosten wären nicht entstanden.
Das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung, genauer: eine von solcher Versicherung erteilte Deckungszusage ist zu berücksichtigen bei Beratungs- und Prozesskostenhilfe, kann aber auch ein bei Bestimmung der Höhe einer Rahmengebühr oder bei Abschluss einer Vergütungsvereinbarung und erst recht in hierwegen anhängig gemachten Rechtsstreiten zu berücksichtigender Umstand sein.
Bestreiten gebührenrelevanter Umstände
Hat die Versicherung Deckung zugesagt, kann es dennoch bei Fälligkeit der Vergütung zu Misshelligkeiten kommen. Da die Höhe der Versicherungsprämien vom Leistungsumfang der Versicherung abhängt, ist jede Versicherung – mehr oder weniger – geneigt, diesen Aufwand möglichst gering zu halten.
Das führt dann dazu, dass z.B. das Entstehen einer Gebühr, der zugrunde gelegte Streitwert, die Billigkeit der Bestimmung der Höhe einer Rahmengebühr oder der Umfang von Auslagen bestritten wird. Kommt es hierüber zu keiner Einigung (nicht zu Lasten des Mandanten!), dann kann die Versicherung veranlasst werden, einer Vermittlung durch die Rechtsanwaltskammer (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 BRAO) zuzustimmen, oder ein in den Versicherungsbedingungen genanntes Schiedsgutachterverfahren beantragen.
Der Anwalt kann stattdessen aber auch namens des Mandanten eine Klage gegen die Versicherung auf Kostenzahlung erheben und bei Gericht die Erhebung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer beantragen (zu solcher Gutachtenerhebung ist das Gericht bei Rahmengebühren verpflichtet: § 14 Abs. 2 RVG).
Ein derartiges Gutachten kann aber nur ein zutreffendes Ergebnis haben, wenn der Anwalt zuvor alle für die Gebührenberechnung maßgeblichen Umstände und die einschlägige Literatur und die Rechtsprechung schriftsätzlich darstellt, denn erfahrungsgemäß wartet die Versicherung mit einer ganzen Liste ihr günstiger Fundstellen auf. Das gilt vor allem dann, wenn eine höhere als die Mittelgebühr verlangt wird.
Rationalisierungsabkommen
Rechtsschutzversicherer versuchen immer wieder, mit Anwälten allgemein gültige Vereinbarungen, sogenannte Rationalisierungsabkommen, zu treffen, in denen zugunsten der Versicherer Abweichungen vom gesetzlichen Gebührenrecht einheitlich für alle vom betroffenen Anwalt bearbeiteten Versicherungsfälle vorgesehen werden.
Solchen Angeboten sollte aber – auch wenn sie, vor allem für jüngere Anwälte, auf den ersten Blick attraktiv erscheinen mögen – mit großer Skepsis begegnet werden.
Denn derlei Vereinbarungen sind der Gefahr rechtlicher Unwirksamkeit immer dann ausgesetzt (§ 49b Abs. 2 Satz 3 BRAO), wenn sie allgemein eine Reduktion von Gegenstandswerten beinhalten oder wenn bei Gebührenrahmen, also insbesondere bei der Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV RVG, für alle Bearbeitungsfälle ein bestimmter, gar unter der Mittelgebühr liegender Gebührensatz gelten soll, das Bestimmungsrecht des § 14 RVG also ausgeschaltet wird.
Hat der Anwalt auf der Grundlage solcher Richtlinien seine Vergütung aus dem Erledigungswert mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer pauschal abgerechnet (kein Verzicht auf weitergehende Ansprüche)[5]) und erhalten und ergibt sich, dass diese Vergütung die gesetzlich aus dem Auftragswert entstandene Vergütung unterschreitet, dann steht diesem Anwalt wegen der zwischen erhaltener und gesetzlicher Vergütung verbleibenden Differenz nicht etwa ein Zahlungsanspruch gegen den Mandanten zu, denn das würde bedeuten, dass sich der Anwalt in eigenem Interesse zu Lasten seines Mandanten mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer arrangiert hätte.
Eine solche Differenz ergibt sich z.B., wenn der Auftragswert höher ist als der der Pauschalvergütung zugrunde gelegte Erledigungswert. Diese Rechtslage gilt allerdings nicht, wenn gegen den Mandanten eine bis dahin von ihm bestrittene Mithaftung besteht oder wenn der Mandant die Geltendmachung überzogener Ansprüche beauftragt hatte, denn dann hat er die verbleibende Vergütungsdifferenz selbst verursacht und daher zu zahlen.
Versagung des Versicherungsschutzes[6]
Obliegenheit der Kostenvermeidung
Rechtsschutzversicherer verweigern immer häufiger einen Deckungsschutz für vor- oder außergerichtliche Tätigkeit, in der eine Geschäftsgebühr entsteht und deren Ziel eine Streitbeilegung ohne Gericht – mit Kosten und öffentlicher Aufmerksamkeit – ist.
Zur Begründung führen sie an, nach den Versicherungsbedingungen habe der Versicherte die Pflicht, alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten verursachen könnte, die Unterlassung eines sofortigen Klageauftrags sei daher eine Obliegenheitsverletzung, die Summierung vorgerichtlicher und gerichtlicher Kosten sei vermeidbar.
Dabei wird verkannt, dass vorgerichtliche Bemühung um Streitbeilegung einen erheblich geringeren Aufwand als ein Prozess verursacht und dass die gegenseitige Beziehung der Parteien für die Zukunft weit weniger belastet wird, eine solche Streitbeilegung also durchaus im Interesse beider Parteien liegen kann.
Im Übrigen sind die Kosten einer erfolgreichen außergerichtlichen Streitbeilegung erheblich geringer als solche durch einen Prozess.
Das hat auch der BGH so gesehen und dies im Verfahren – IV ZR 352/07 durch einen Hinweis in der Terminsladung und dann nochmals in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht (zu einem Urteil ist es dann nur deshalb nicht gekommen, weil der verklagte Versicherer den Klaganspruch schließlich anerkannt hat – wohl um die den Rechtsschutzversicherungen ungünstige Rechtsmeinung des BGH nicht durch ein Urteil öffentlich werden zu lassen).
Kostenübernahmebeschränkung: Vergleichsklausel
Hie und da mag eine rechtsschutzversicherte Partei der Versuchung unterliegen, in einem Vergleich zu Lasten ihrer Versicherung dem Gegner eine höhere Kostenerstattungsquote zuzugestehen, wenn der Gegner ihm dafür in der Hauptsache mehr entgegenkommt, als dieser ursprünglich bereit war.
Beispiel: Gefordert sind 1.000 €. Der Schuldner ist zur Zahlung von 500 € bereit. Er zahlt aber 600 €, weil der Gläubiger statt Kostenwettschlag 3/4 der Kosten übernimmt (und damit dem Schuldner gegenüber einer Kostenwettschlagung einen von der Rechtsschutzversicherung zu erfüllenden Erstattungsanspruch auf dessen Kosten verschafft).
Diesem Trick schiebt aber § 5 Abs. 3 Buchst. b) ARB einen Riegel vor: Hiernach kann der Rechtsschutzversicherer die Leistung verweigern, wenn er darlegt und beweist, dass der Versicherungsnehmer in einer Einigung Kostenzugeständnisse gemacht hat, die zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweichen.[7]
Die Ausschlussklausel gilt für sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten und gleichermaßen für gerichtliche wie außergerichtliche Vergleiche, auch für ein schlichtes Nachgeben. Erforderlich ist aber immer, dass die Kostenfrage von den Parteien zumindest konkludent einverständlich geregelt wurde. Die Klausel gilt daher nicht für eine gerichtliche Kostenverteilung. Über die Ausschlussmöglichkeit muss der Anwalt seinen Mandanten aufklären.
Praxistipp: Jeder Anwalt eines rechtsschutzversicherten Mandanten sollte deshalb all dies bei der Formulierung eines Einigungstextes berücksichtigen, wenn er sich nicht später Schadensersatzforderungen seines Mandanten erwehren will.
[1] BGH, Urt. v. 10.11.2010 – IV ZR 188/08, NJW 2011, 232 = VersR 2011, 67.
[2] Pabst, AnwBl 2007, 136.
[3] Henke, AnwBl 2009, 207 und 464; Lensing, AnwBl 2010, 688; Niehren, AnwBl 2010, 135; Hansens, RENOpraxis 2011, 5 u. 29; Schmitt, r+s 2011, 148; Samini, RVGreport 2011, 246.
[4] BGH, Urt. v. 09.03.2011 – VIII ZR 132/10, MDR 2011, 513 = NJW 2011, 1222 = VersR 2012, 1188; Bauer, VersR 2012, 1205; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 13.12.2011 – VI ZR 274/10, AnwBl 2012, 284 = JurBüro 2012, 253 = VersR 2012, 331.
[5] BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 76/06, MDR 2007, 535; BGH, Urt. v. 07.03.2006 – VI ZR 54/05, MDR 2006, 1042.
[6] Kallenbach, AnwBl 2009, 784; Hansens, RVGreport 2009, 321.
[7] BGH, Urt. v. 25.01.2006 – IV ZR 207/04, NJW 2006, 1281; BGH, Urt. v. 25.05.2011 – IV ZR 59/09, NJW 2011, 2054; Obarowski, NJW 2011, 2014; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl. 2010; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. 2010, § 5 ARB Fn. 49 ff.; Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 125 VVG Fn. 52 f.