Auch die Tätigkeit im Eilverfahren will vergütet werden. Auf welche Besonderheiten Sie als Anwalt bei der Abrechnung zu achten haben, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Das Verhältnis des Eilverfahrens zur Hauptsache
Das summarische Verfahren (Arrest, einstweilige Verfügung, einstweilige Anordnung) steht in seiner Funktion selbständig neben dem Verfahren der Hauptsache betreffend denselben Streitgegenstand.
Es kann z.B. ein Arrestverfahren neben einem bereits in der Hauptsache rechtshängigen Verfahren vor dem Erst- oder Rechtsmittelgericht durchgeführt werden.
Im Regelfall folgt das Verfahren der Hauptsache dem summarischen Verfahren zeitlich nach. Dies muss immer geschehen, wenn der Antragsgegner, nachdem er im summarischen Verfahren unterlegen ist, gem. § 926 ZPO eine gerichtliche Anordnung erwirkt hat, die dem obsiegenden Antragsteller eine Frist zur Klagerhebung in der Hauptsache setzt.
Soweit das Gesetz insbesondere in Familiensachen der Partei die Möglichkeit einräumt, eine einstweilige Anordnung zu beantragen, gehen einstweilige Anordnungen als Spezialregelung der einstweiligen Verfügung vor, machen Letztere also im Bereich des Familienprozessrechts unzulässig.
War die einstweilige Verfügung bei Anhängigwerden der Ehesache bereits erlassen, bleibt das Verfügungsverfahren zulässig. Ein Übergang in das einstweilige Anordnungsverfahren findet nicht statt.[1])
Gebühren in Eilverfahren und Hauptsache
Verfahren über einen Antrag auf Anordnung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung sind bei gleichzeitiger oder späterer Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache über denselben Streitgegenstand gebührenrechtlich jeweils verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 4 RVG).[2])
Dies gilt auch für Änderungs- und Aufhebungsverfahren betreffend die Eilentscheidung. Anordnungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren in Eilsachen bleiben wiederum untereinander eine gebührenrechtliche Angelegenheit (§ 16 Nr. 6 RVG).
Wird ein Arrestantrag oder ein Antrag auf einstweilige Verfügung während Anhängigkeit der Hauptsache vor dem Berufungsgericht bei diesem anhängig gemacht (§ 943 ZPO), so ist dieses für das Arrestverfahren oder das Verfahren der einstweiligen Verfügung sachlich zuständig.
Gleiches gilt für Änderungs- oder Aufhebungsanträge. Die Gebühren entstehen jedoch als solche für ein erstinstanzliches Verfahren (Vorbem. 3.2 Abs. 2 Satz 1 zu Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG).
Für einen Antrag im Eilverfahren erhält der Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Kommt es zur mündlichen Verhandlung, sei es aufgrund Widerspruchs des Antragsgegners, sei es, weil das Gericht nicht im Beschlussweg entscheidet, sondern Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, entsteht die Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG.
Führen die Parteien im Termin Verhandlungen nicht nur zur Beendigung des Arrest- bzw. Verfügungsverfahrens, sondern darüber hinaus zur Regelung der Hauptsache – mag diese bereits anderweitig anhängig sein oder noch nicht –, entsteht insoweit die Verfahrensgebühr mit 0,8 aus Nr. 3101 Nr. 2 erster Halbsatz VV RVG („Einigungsversuchsgebühr“), ferner die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG (siehe dazu Nr. 3104 Anm. Abs. 2 VV RVG mit der Anrechnungsbestimmung), sofern der Wert der Hauptsache nicht mit dem Wert des Eilverfahrens identisch ist, sondern ihn übersteigt.[3]) Im Regelfall sind die Werte des Eilverfahrens und der Hauptsache zusammenzurechnen.[4])
Besonderheiten im Sozialrecht
Ebenso wie in anderen Verfahrensgängen erfasst die Verfahrensgebühr die gesamte prozessuale Tätigkeit des Rechtsanwalts, für die das RVG keine sonstige spezielle Gebühr vorsieht.
Erfolgt daher neben dem Betreiben des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz auch eine Beratung des Rechtsanwalts zu den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, fällt hierfür keine gesonderte Gebühr an.
Herkömmlich wird in Verfahren auf einstweilige Anordnung im Bereich des Sozialrechts bei durchschnittlichem Verfahren lediglich eine Verfahrensgebühr von 2/3 der Mittelgebühr fällig.[5])
Hinzutreten kann im Fall des Vergleichsabschlusses eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG aus dem Gegenstandswert des Arrest- oder Verfügungsverfahrens sowie eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG aus dem Wert der mitverglichenen Ansprüche, soweit nicht Identität von Streitgegenstand und Streitwert gegeben ist. Dabei ist die Gebührensummenbegrenzung des § 15 Abs. 3 RVG zu beachten.
Abrechnungsbeispiel:
Der Rechtsanwalt erhält Auftrag, eine Werklohnforderung von 40.000 € zunächst außergerichtlich geltend zu machen. Er schreibt den Schuldner an. Dieser setzt sich mit dem Rechtsanwalt in Verbindung mit dem Ziel, eine Stundungsvereinbarung zu erreichen. Hierüber kommt es jedoch zu keiner Einigung. Der Auftraggeber erfährt, dass der Schuldner Anstalten trifft, sein Grundstück zu veräußern. Er soll die Absicht geäußert haben, ins außereuropäische Ausland auszuwandern. Der Rechtsanwalt erwirkt daraufhin einen Arrestbefehl. Hiergegen legt der Schuldner Widerspruch ein. Es kommt zur mündlichen Verhandlung. 1. Außergerichtliche Tätigkeit: Wert: 40.000 €
Wert: 20.000 €
1. Außergerichtliche Tätigkeit: Wert: 40.000 €
Wert: 20.000 €; Vergleichswert: 40.000 €
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[1]) OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.12.1986 – 9 UF 125/86, FamRZ 1987, 497; OLG Hamburg, Urt. v. 23.09.1981 – 15 UF 94/81 U, FamRZ 1982, 408; siehe auch Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 620 Rdnr. 23.
[2]) Zum Anordnungsverfahren in WEG-Sachen siehe auch Drasdo, MDR 2005, 786.
[3]) KG, Beschl. v. 10.10.1972 – 1 W 1027/72, AnwBl 1973, 80; a.M. OLG Dresden, AGS 1997, 1.
[4]) OLG Stuttgart, JurBüro 1996, 137; OLG Hamburg, MDR 1991, 9011; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdnr. 16 „Vergleich“; a.M. OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 918.
[5]) LSG Hessen, Beschl. v. 26.10.2015 – L 2 SO 95/15 B.